Delegiertenversammlung
Die Delegiertenversammlung (DV) ist das höchste Organ des VSPB und wird alle zwei Jahre von einer unserer Sektionen oder dem Verbandssekretariat durchgeführt.
An der Delegiertenversammlung werden zwischen 250 und 300 Vertreter aus den Sektionen (Delegierte, Ehrenmitglieder und sämtliche Vertreter des VSPB) sowie zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften teilnehmen.

Die Delegiertenversammlung des VSPB fand am 23. und 24. Juni 2022 in Zürich-Kloten statt
Kamera läuft: die Polizei vor und hinter der Linse
Heutzutage fühlt sich jeder und jede dazu berufen, in sämtlichen Lebenslagen zu filmen und die Videos auch gleich öffentlich zu machen, ohne sich darum zu kümmern, ob dies überhaupt erlaubt ist. Aber was können Polizistinnen und Polizisten tun, wenn sie bei Einsätzen gefilmt werden? Ist das legal und wo sind hier die Grenzen gesetzt? Dass diese Situation unangenehm ist, versteht sich von selbst.
Am Thementag der VSPB Delegiertenversammlung 2022 gehen wir unter anderem den Fragen nach, inwiefern sich die Kolleginnen und Kollegen schützen können, was gehört in die Zuständigkeit des Arbeitgebers in Sachen Fürsorgepflicht und wie weit reicht der Gesetzesarm, wenn es um den Persönlichkeitsschutz geht. Weiter werden Hilfsmittel diskutiert, die unter Umständen eingesetzt werden können und vielleicht nützlich sind im Umgang mit Personen, die Polizeieinsätze filmen.
Christian Scherf, Geschäftsführender Direktor Axon Public Safety Germany SE

Seit einigen Jahren gehören Bodycams in vielen Ländern bereits zur Grundausstattung der Polizistinnen und Polizisten. Die Einführung erfolgte auf Basis verschiedener Motivationen. In vielen europäischen Ländern nehmen die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten kontinuierlich zu. Es wird nach Möglichkeiten gesucht, diesen Trend zu stoppen. Bodycams können auf ein aggressives Gegenüber deeskalierend wirken und zusätzlich Beweise sichern. Sie sind in vielen Polizeieinsätzen weltweit bereits Standard. Zusätzlich kann die technische Weiterentwicklung auch für eine erhöhte Sicherheit sorgen, etwa durch Echtzeitanbindungen.
Bei der Einführung entstehen technische und einsatztaktische Herausforderungen, die im Projekt und in der Schulung adressiert werden müssen.
Der Kurzvortrag am Thementag im Juni soll einen Überblick über die Nutzungsszenarien der Bodycam in verschiedenen Polizeibehörden, Erfolgsgeschichten der Nutzerinnen und Nutzer und die aktuellen technischen Möglichkeiten geben.
Peter Smets, Präsident European Federation of Police Unions EU.Pol, Regionaler Vizepräsident VSOA-SLFP, Polizei Belgien

Als Europäischer Verband der Polizeigewerkschaften sind wir der Meinung, dass es möglich sein sollte, einen Polizeibeamten im Einsatz zu filmen. Wir sind Teil der öffentlichen Gesellschaft. Dennoch ist es von grundlegender Bedeutung, dass Polizistinnen und Polizisten ihre Arbeit in aller Ruhe machen können. Gewisse Umstände müssen klar geregelt sein. So sollten Aufnahmen aufgrund der Gefährlichkeit einer Situation oder bei Verletzung der Privatsphäre des Beamten und/oder der involvierten Bürger (beispielsweise bei einer Verhaftung) verboten sein. Gibt es in solch klar geregelten Fällen dennoch Filmmaterial, kann dieses vor Gericht verwendet werden, darf aber nie in weiteren Kommunikationen benutzt werden.
Wir sind der Ansicht, dass Filmen an und für sich kein Problem ist. Vor allem nicht für die Mehrheit der Polizisten, die versuchen, ihre Arbeit korrekt zu machen. Die grosse Frage ist: Was geschieht später mit den Aufnahmen? Eine Veröffentlichung ohne entsprechende Freigabe muss strafbar sein und gerichtlich verfolgt werden. Ist im Film eine unrechtmässige Anwendung von Gewalt zu sehen, muss dieses Beweisstück wie jeder andere Beweis behandelt und der Justiz zur Weiterverfolgung vorgelegt werden. Wir stellen oft fest, dass solche Filmaufnahmen in den Medien unrechtmässig veröffentlicht und als Propagandamaterial gegen Regierungsinstitutionen benutzt werden, ohne dass jedoch die vollständige Geschichte erzählt wird. Die Polizeikräfte sollten daher besser kommunizieren und eigenes Filmmaterial produzieren, das den ganzen Sachverhalt aufzeigt. Zu diesem Zweck muss die Ausrüstung modernisiert werden. Diese Lösung kann letztendlich Klarheit darüber schaffen, was bei einer Polizeiaktion tatsächlich geschah.
Mark Burkhard, Präsident KKPKS und Kommandant Polizei BaselLandschaft

Wo immer man heutzutage hinkommt, es läuft eine Kamera. An jeder Ecke stehen Leserreporter/innen. Diese sind oft noch vor der Polizei am Ort des Geschehens. Polizistinnen und Polizisten stehen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern häufig auch im Fokus von Kameras. Deshalb muss für uns als Mitglieder der KKPKS der Schutz unserer Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung sein. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass ihre Persönlichkeitsrechte inklusive ihres Rechts am eigenen Bild gewahrt werden und sie diese im Bedarfsfalle auch rechtlich durchsetzen können. Zwar müssen sich Polizistinnen und Polizisten in der heutigen Gesellschaft Foto- und Filmaufnahmen gefallen lassen. Es muss jedoch klare Grenzen geben. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass alle Polizeiangehörigen bei Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte Rechtsschutz erhalten.
Polizistinnen und Polizisten stehen jedoch nicht nur vor der Kamera. Neuerdings stehen sie immer öfter auch hinter der Kamera, das heisst sie tragen Bodycams auf sich. Grundsätzlich begrüsse ich den Einsatz von Bodycams. Diese dokumentieren heikle Situationen für allfällige nachfolgende Strafverfahren und dienen so auch dem Schutz unserer Mitarbeitenden. Wie Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, wirken Bodycams oft deeskalierend und können Gewaltanwendung gegen Polizistinnen und Polizisten verhindern. Wann ihr Einsatz sinnvoll ist, muss jedoch sorgfältig abgewogen werden. In städtischen Agglomerationen oder in schwierigen Situationen, wo Rettungskräfte angegriffen werden, ist er sicherlich eher angezeigt als in ländlichen Gebieten.
Andrea Pagani, Generalstaatsanwalt Kanton Tessin

In der heutigen Gesellschaft werden bedenkenlos Uniformierte für ein angeblich strafrechtlich relevantes Verhalten denunziert. In den vergangenen 15 Jahren wurden im Tessin 799 Polizeibeamte angezeigt. Dabei kam es zu 42 Verurteilungen. Das heisst, dass 95 % der Fälle ins Leere laufen. Die Polizeikräfte sind demzufolge gut aufgestellt. Eine Anzeige muss jedoch untersucht werden, um die Fakten zu rekonstruieren. Die Rechtsprechung erlaubt es nicht, diese Strafverfahren oberflächlich zu behandeln. Gemäss Bundesgericht hat eine Person, die behauptet, von einem Polizisten erniedrigend behandelt worden zu sein, Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung. Demzufolge müssen der Kläger, die Beschuldigten und eventuelle Zeugen befragt werden, allenfalls wird ein Gutachten beigezogen. Eine solche Untersuchung kann sich beträchtlich in die Länge ziehen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, Einsprache zu erheben oder Rekurs einzulegen. In der Zwischenzeit ist ein Polizeibeamter oft von Auswahlverfahren im Zusammenhang mit anderen Funktionen oder einer Karriere ausgeschlossen. Dank der Technologie kann ein Strafverfahren heute allerdings beschleunigt werden. Mithilfe einer Bodycam lässt sich der Tathergang einfacher rekonstruieren. Eine Filmaufnahme kann sofort und zweifelsfrei Aufschluss über die Ereignisse liefern.
Lena Scheurer, Rechtsanwältin Bracher & Partner

Pilot- und Testversuche haben zutage gebracht, dass Bodycams für Polizistinnen und Polizisten gerade bei der Arbeit im Patrouillendienst und bei Personenkontrollen ein hilfreiches Instrument darstellen können. Hilfreich erscheint der Umstand, dass Bild- und Tonaufnahmen der Videokameras in einem allfälligen strafrechtlichen Verfahren verwendet werden können. Wenig Beachtung fand bisher die Frage, welche arbeitsrechtlichen Folgen der Einsatz von Bodycams für Polizeiangehörige haben kann. Die Einrichtung eines Überwachungs- oder Kontrollsystems ist aus arbeitsrechtlicher Sicht nämlich nur zulässig, wenn es für die Sicherheits- oder die Leistungsüberwachung der Mitarbeitenden notwendig ist. Die Ahndung von Fehlverhalten der Polizistinnen und Polizisten mittels Bodycams erscheint vor diesem Hintergrund fragwürdig. Hinzu kommt, dass Polizistinnen und Polizisten nicht nur hinter, sondern an Grossveranstaltungen auch ungewollt vor der Kamera stehen. Bei unerlaubten Videoaufnahmen durch Beteiligte oder Drittpersonen an Massenveranstaltungen werden die Persönlichkeitsrechte von Polizeiangehörigen regelmässig mit Füssen getreten. Erscheinen die Filme auch noch unverpixelt im Internet, stellen sich berechtigte Fragen zu den Fürsorgepflichten der Arbeitgeberin. Fakt ist, dass die Mitarbeitenden spätestens bei der Durchsetzung der Persönlichkeitsrechte als Privatpersonen vor Gericht stehen.
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